Unbestritten trifft die Erhöhung Netzkunden in der Höchst- und Hochspannung mit voller Wucht und dürfte die Diskussion um die Zukunftsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland erneut befeuern. Wie stark dagegen SLP-Kunden in der Niederspannung betroffen sind, und ob die Panikmache der vergangenen Wochen zu möglichen dreistelligen Preissteigerungen bei Familienhaushalten gerechtfertigt waren, kann nur ein genauer Blick auf die tatsächlich veröffentlichten Preisstellungen zeigen.
Bei Betrachtung der endgültigen Netzentgelte anhand eines typischen Familienhaushalts mit 3.500 kWh jährlichem Stromverbrauch zeigen sich im nach Netzgröße gewichteten Durchschnitt allerdings weniger große Erhöhungen als befürchtet. Gegenüber den als „vorläufig“ veröffentlichten Preisen steigt der spezifische Arbeitspreis nur um 1,08 Cent auf nun 12,14 ct/kWh. Dies entspricht zwar einer Steigerung um rund 9,8 Prozent, belastet den Musterhaushalt aber mit zusätzlich +37,86 Euro im Jahr weniger dramatisch, als nach dem Wegfall der Subventionen von vielen erwartet wurde.
Tatsächlich finden sich sogar vereinzelt Reduzierungen in den endgültigen Entgelten. So senken die Stadtwerke Riesa in Sachsen ihre Preise um ‑11,4 Prozent von 11,40 auf 10,10 ct/kWh, wovon Abnehmer in vier Postleitzahl-Ort-Kombinationen profitieren. Auch die Stadtwerke Gengenbach in Baden-Württemberg reduzieren die Verteilnetzgebühren um ‑6,3 Prozent von 13,02 auf 12,19 ct/kWh. In Stendal (Sachsen-Anhalt) wird ebenfalls eine minimale Korrektur nach unten vorgenommen, die Entgelte der Stadtwerke – Altmärkische Gas‑, Wasser- und Elektrizitätswerke Stendal sinken um ‑0,1 Prozent von 11,10 auf 11,09 ct/kWh. In insgesamt 150 Postorten wurden die Entgelte dagegen unverändert mit dem Status „endgültig“ veröffentlicht.
Veränderung der endgültigen Netzentgelte Strom 2024 gegenüber den vorläufigen in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Auf der anderen Seite gibt es, wie zu erwarten war, zahlreiche Verteilnetze, in denen die Preise noch einmal erhöht wurden. Die prozentual wie absolut deutlichste Erhöhung findet sich im Gebiet der Mainzer Netze in Rheinland-Pfalz. Hier steigen die Entgelte um +32 Prozent von 9,14 auf 12,06ct/kWh. Dennoch erreicht auch dieses Plus um 2,92 ct/kWh nicht die nominale Erhöhung der Übertragungsnetzentgelte. Eine deutliche Steigerung zeigt sich auch bei der MVV Netze in Baden-Württemberg, hier verteuern sich die Preise um +31,6 Prozent von 7,95 auf 10,47 ct/kWh, bleiben damit aber deutlich unter dem deutschlandweiten Durchschnitt. Auch im hessischen Gebiet der Energienetze Offenbach GmbH steigen die Entgelte um mehr als 30 Prozent, hier von 8,86 auf 11,56 ct/kWh (+30,4 %). In insgesamt 6.458 Postorten steigen die Preise um mehr als 10 Prozent, in 7.904 dagegen geringer.
Die günstigsten Netzentgelte berechnen 2024 die Stadtwerke Pappenheim in Bayern mit 6,94 ct/kWh, hier wurden die vorläufigen Preisstellungen unverändert übernommen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern profitieren Netzkunden der Neubrandenburger Stadtwerke mit 7,23 ct/kWh (unverändert) von weit unterdurchschnittlichen Preisen. Ähnlich sieht es bei den bayerischen Stadtwerken Olching Stromnetz aus, trotz einer Steigerung der endgültigen Entgelte um +7,2 Prozent auf 7,42 ct/kWh.
Preisniveau der endgültigen Netzentgelte Strom 2024 in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 3.500 kWh/Jahr, SLP, Niederspannung
Wesentlich teurer ist die Stromverteilung im Netz der Stadtwerke Mühlacker in Baden-Württemberg. Hier werden 16,76 Cent je durchgeleiteter Kilowattstunde fällig (+17,54 %). Auch die Stadtwerke Eberbach, ebenfalls in Baden-Württemberg, zählen mit 16,26 ct/kWh zu den teuersten Betreibern (+10,69 %). Doch auch im hohen Norden steigen die Entgelte weiter. Im Netz der Schleswig-Holstein Netz werden 16,16 ct/kWh erhoben (+7,59 %), wovon aufgrund der Netzgröße 1.054 Postorte betroffen sind.
Die Spreizung zwischen den niedrigsten und höchsten Preisen beträgt 141,5 Prozent. Regional betrachtet bleibt die Kostenbelastung der Haushaltskunden aller Harmonisierung auf Regelzonenebene zum Trotz weiterhin besonders hoch in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Brandenburg. Aber auch das Saarland bleibt teuer, weitere Hotspots lassen sich in Baden-Württemberg, im Süden Hessens sowie rund um Teile der Weser beobachten.
Doch auch wenn die Erhöhung der endgültigen Entgelte nach Wegfall der Subventionen zumindest für SLP-Kunden im Vergleich zu vielen Prognosen eher glimpflich ausfällt, darf man nicht vergessen, dass auch schon die vorläufigen Entgelte gegenüber 2023 angestiegen waren (vgl. Newsletter NNS Nr. 119). Nach Auswertung der bisher veröffentlichten Preisstellungen, die mehr als 99 Prozent der stromversorgten Fläche abbilden, erhöhen sich die Entgelte im gewichteten Durchschnitt um +19,8 Prozent oder rund 2 Cent. Allgemeine Gründe sind weiterhin wachsende Kosten für Netzausbau, Anlagenanschlüsse und Redispatch. Für den Musterhaushalt bedeutet dies jährliche Mehrkosten in Höhe von 70 Euro. Eine flächendeckende, dreistellige Mehrbelastung alleine durch die Übertragungsnetzentgelte lässt sich somit nicht beobachten, auch wenn dies in Summe und abhängig vom Verbrauch regional der Fall sein könnte.
Einzelne Stromversorger kündigten bereits an, die Mehrkosten der Netzentgelte nicht an ihre Endkunden weiterzugeben, wie z. B. die Sachsenenergie aus Dresden, die Stadtwerke Trier (SWT), die Leipziger Stadtwerke, die Stadtwerke Bamberg sowie die Energieversorgung Mittelrhein EVM – oder haben ihre Preise sogar gesenkt, wie die Stadtwerke Augsburg und die Rheinenergie. Viele Versorgungsunternehmen werden aber mit sehr spitzer Feder rechnen müssen, da auch die gesetzlichen Stromumlagen um 6,1 Prozent gestiegen sind. Zwar hatte sich im Oktober erst eine leichte Reduzierung angekündigt, doch im Dezember musste aufgrund der fehlenden Subventionen auch die Umlage gemäß § 19 StromNEV für das Jahr 2024 außerplanmäßig auf 0,643 ct/kWh angehoben werden. Glaubt man dem E.ON-Vorstandsvorsitzenden Leonhard Birnbaum, sind Tariferhöhungen auf breiter Front nur eine Frage der Zeit (Quelle: https://www.zfk.de/unternehmen/nachrichten/haushaltsloch-spaltet-vertriebe). Verbunden mit dem Wegfall der Preisbremsen könnte dies aber auch den Wettbewerb erneut beleben.
Die vorangegangene Auswertung basiert auf den erfassten Preisstellungen in der Datenbank Marktdaten Netznutzung (Strom), da die darin erfassten Netzentgelte den aktuellen Veröffentlichungsstand umfassender abbilden als die bislang vorliegenden elektronischen Preisblätter der Verteilnetzbetreiber. Diese Thematik werden wir in einem folgenden Newsletter noch einmal aufgreifen.
Wenig Bewegung in den Gasnetzentgelten
Nur wenige Anpassungen finden sich dagegen in den endgültigen Gasnetzentgelten. Nachdem sich in den vorläufigen Entgelten bereits eine leichte Reduzierung der Preise abgezeichnet hatte (vgl. Newsletter NNG Nr. 075), wurden inzwischen in 10.159 Postleitzahl-Ort-Kombinationen die Preisblätter unverändert als „endgültig“ veröffentlicht. Dies entspricht rund 93,8 Prozent der gasversorgten Fläche Deutschlands.
In 65 Postorten wurden die Preise weiter gesenkt. Am Abnahmefall eines Familienhaushalts mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh betrachtet werden Gaskunden im Anschlussgebiet des Verteilnetzbetreibers ErmstalEnergie Dettingen an der Erms in Baden-Württemberg am deutlichsten entlastet. Hier sinken die Durchleitungsgebühren um ‑15 Prozent von 3,34 auf 2,84 ct/kWh. Auch im bayerischen Wunsiedel sinken die Entgelte im Netz der GVW um ‑9,3 Prozent von 1,40 auf 1,27 ct/kWh.
Erhöhungen gegenüber den vorläufigen Preisstellungen sind dagegen in 431 Postorten zu verzeichnen. Die deutlichste Anhebung nehmen die Stadtwerke Crailsheim in Baden-Württemberg mit +10 Prozent vor. Hier verteuern sich die Verteilnetzgebühren in zwei Postorten von 1,76 auf 1,93 ct/kWh. Auch die Gemeindewerke Nümbrecht Netz in Nordrhein-Westfalen erhöhen die Preise um +8,8 Prozent von 1,96 auf 2,13 ct/kWh.
Preisniveau der endgültigen Netzentgelte Gas 2024 in ct/kWh
Abnahmefall: Familien-Haushalt, 20.000 kWh/Jahr, 11 kW Leistung, SLP, Niederdruck
Die günstigsten Entgelte für 2024 lassen sich nach aktuellem Stand im Netz der niedersächsischen Stadtwerke Neuenhaus finden, sechs Postorte profitieren dort von einem spezifischen Arbeitspreis von nur 0,98 ct/kWh (unverändert gegenüber vorläufigen Preisen). Am teuersten bleibt die Gasverteilung im Gebiet der Stadtwerke Bad Wildbad in Baden-Württemberg. Mit 3,69 ct/kWh (unverändert zum vorläufigen Entgelt) wird hier mehr als das Dreieinhalbfache berechnet, die Preisspreizung beträgt somit 276,5 Prozent.
Nach Auswertung aller bislang veröffentlichten Preisblätter, die zusammen eine Gebietsabdeckung von knapp 99 Prozent der gasversorgten Fläche Deutschlands erreichen, sinkt der nach Netzgröße gewichtete, durchschnittliche spezifische Arbeitspreis leicht auf 1,99 ct/kWh, was einer Reduzierung um etwa 1,3 Prozent entspricht.
Gasvertriebe werden allerdings kaum eine Chance haben, diese leichte Senkung an Gaskunden weiterzugeben. Im Gegenteil, die zum 1. Januar 2024 auf 0,186 ct/kWh gestiegene Gasspeicherumlage (2023: 0,145 ct/kWh) und der unerwartet starke Preissprung der CO2-Abgabe auf 0,816 ct/kWh (2023: 0,544 ct/kWh) müssen aktuell eingepreist werden. Spätestens die Rückkehr zum regulären Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent ab 1. März 2024 (derzeit 7 %), der auch bei der Beschaffung deutliche Wirkung entfaltet, lässt die Preisgestaltung im Gasmarkt zu einer Herausforderung werden. Bei gleichzeitigem Wegfall der Preisbremsen dürfte dies den Wettbewerb verschärfen.
Methodik: Alle Preise verstehen sich netto. Der durchschnittliche spezifische Arbeitspreis der Netzentgelte wurde nach Netzgröße (Anzahl der angeschlossenen Postleitzahl-Ort-Kombinationen) gewichtet. In den Berechnungen wurden nur Netzbetreiber berücksichtigt, die bereits ein vorläufiges sowie endgültiges Entgelt für 2024 bekanntgegeben haben. Der spezifische Kilowattstundenpreis setzt sich zusammen aus den Netzkosten (Arbeitspreis + auf die Jahresarbeit umgelegter Grundpreis) und den Kosten für das Messsystem (Standardmesskonfiguration). Weiße Flächen in der Karte für Gas kennzeichnen Gebiete ohne Gasversorgung.
Automatisch über neue Entgelte informiert werden mit dem ene't Navigator®
Mit der App Regionale Veränderungsanalyse Netznutzung SLP (Gas) auf dem ene't Navigator® können Sie jederzeit komfortabel die Änderungen in den vorläufigen Netzentgelten ermitteln. Genauso finden Sie zum Jahreswechsel mit wenigen Klicks die endgültigen Preisstellungen für das kommende Jahr, oder können historische Werte ermitteln und Preisdetails analysieren. Direkte Vergleiche zwischen unterschiedlichen Zeitpunkten sind damit ebenso in einem Schritt möglich wie zwischen vorläufigen und endgültigen Entgelten. Die App ist ebenso für den Bereich Strom verfügbar.
Mithilfe der Benachrichtigungsfunktion der Plattform werden Sie auf Wunsch auch proaktiv darüber informiert, welche Verteilnetzbetreiber neue Netznutzungsentgelte veröffentlicht haben. Dies ist wahlweise direkt im ene't Navigator® oder via E‑Mail möglich.
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